TEIL II: KAUFLUST WECKEN IM TV -
STRATEGIEN DER FASHION-ONLINE-ANBIETER.
 

 

POLE-POSITION E-COMMERCE

 

Bei der werblichen Kommunikation (online-offline) nehmen Produkte/Marken aus dem e-commerce fast schon eine Vorrangstellung ein.  In der TV-Werbung finden sich aktuell viele reine e-commerce-Produkte wie Apps aus dem Fitness-Bereich, Vergleichsportale, Partner-Portale, Online-Shops für erotische Accessoires usw.  Aber natürlich sind es auch die eher konventionellen offline-Konsumgüter wie Reisen, Flüge, Brillen, Medikamente, Schmuck, Lebensmittel und natürlich Bekleidung, die uns im TV von Online-Anbietern offeriert werden.

 

Schaut man sich einen x-beliebigen Werbeblock auf ProSieben an, so beziehen sich fast immer deutlich mehr als die Häfte der TV-Spots auf Online-Angebote. Bei dem rein zufällig ausgewählten Werbeblock an einem Freitagnachmittag war das Verhältnis sogar noch deutlicher: Von den 15 TV-Spots diese Blocks waren nur 4 Spots nicht von einem Online-Anbieter (siehe Info-Grafik rechts). Sicher, bei anderen Sendern wird das Verhältnis e-commerce- und Offline-Produkte ein anderes sein. Aber die zunehmende Präsenz von Online-Anbietern in der klassischen Werbung  ist schon bemerkenswert.


 

Das klassische A.I.D.A.-Modell (attention-interest-desire-action) steht heute immer noch in den Marketing-Lehrbüchern. Das 1898 (!!!) von einem Vertreter entwickelte Modell ist auch in Online Zeiten nicht wirklich falsch geworden, im Gegenteil. Wenn ‚action‘ der Klick oder Touch auf den Bestellbutton ist, dann war der Weg zwischen desire und action noch nie so kurz wie beim Online-Einkauf.

 

Allerdings: bestellt ist nicht gekauft. Das gilt ganz besonders für alles, was mit Bekleidung, Mode, Accessoires zu tun hat. Die teilweise atemberaubenden Retourenquoten sind die Kehrseite der Markenversprechen auf großzügige Rückgaberegelungen: für viele Fashion-Interessierte ist die Bestellung kein Kauf, sondern die Order für eine unverbindliche Anprobe-Session zuhause.

 

In ihrer Kommunikation spielen die Online-Anbieter mit der Verlockung und Verführung, die der Mode innewohnt. Desire lässt sich beim Thema Mode fast mühelos inszenieren. Das zeigen die TV-Spots von ZALANDO, OTTO.DE, BONPRIX, JUSTFAB, SARENZA ...

 

In der Motivation für die gewünschte ‚action‘ – nämlich die Bestellung – haben die Anbieter unterschiedliche Strategien.

 


 

ZALANDO: DEN (HÖR-)NERV GETROFFEN


2008 gegründet, war die junge Internet-Plattform ZALANDO in den frühen 10er Jahren extrem präsent im TV: kaum ein Werbeblock ohne ZALANDO. Die Gründer hatten massivst in Frequenz und Offline-Präsenz investiert.

Die Spots folgten meistens einem einfachen Schema: Szene in einer Wohnung. Es klingelt. Der Postbote steht mit einem Paket von ZALANDO vor der Tür – und die Empfängerin/innen flippen vor Freude völlig aus. Die überbordende Begeisterung und das hysterische Entzücken entladen sich in einem langen, schrillen Schrei der durch ZALANDO beglückten Kunden.

 

Mit dem schrillen Schrei entzückter Frauen hat sich ZALANDO viel Aufmerksamkeit erzwungen.  Akustisches Branding ganz ohne Jingle oder Soundtrack. Und natürlich eine unmissverständliche Botschaft: ZALANDO macht dich glücklich. Nicht auf eine introvertierte, stille Art, sondern du wirst überschäumen vor Glück.

Das Versprechen auf einen Glücksmoment – den man jeden Tag wiederholen kann.

 

Durch die zeitliche Entkoppelung von Bezahlung und Inbesitznahme ist der ‚Kauf‘ bei ZALANDO nicht ein funktionaler Tausch Geld gegen Ware. Vom psychologischen Erleben her ist die ‚Lieferung‘ wie ein Geschenk: Der ZALANDO-Bote liefert nicht – er bringt ein Geschenk. Ein Päckchen für mich, so wie man es von Weihnachten oder vom Geburtstag her kennt. Und das Gefühl, beschenkt zu werden, macht Freude - auch ganz unabhängig vom Inhalt.

 

Auch wenn man weiß, was drin, so ist man auf den Inhalt gespannt. denn erst nach dem Öffnen zuhause hält man das 'Geschenk' zum ersten Mal in Händen, kann es begreifen und sich das Neue zu eigen machen. Dieser Aneignungsprozess in den eigenen vier Wänden setzt sich fort im Aus- und Anprobieren,  für sich alleine oder mit Publikum. grundsätzliche Frage: Wie passt dieses neue Teil in meinen Lebensstil, in meine Welt?  Wenn es diese Nagelprobe nicht besteht, geht es zurück.

Und der Glücks-Bringer steht vielleicht schon wenige Tage später wieder vor der Tür. Schon wieder Geburtstag.

 

DAS SCHWEIGEN DER LÄMMCHEN?

Plötzlich blieb er aus, der Schrei. Keine 'Geschenke' mehr vom Glücksbringer? Die neue Kampagne „Freu dich auf dich“: eine Reihe von Models beim Fotoshooting, die aber keine Lust zum Posing haben, sondern lieber ausgelassen herumtanzen. Die Botschaft: in Klamotten von ZALANDO bist du gut gelaunt. Im Kampagnen-Claim klingt immer noch das zentrale Markenversprechen des Online-Versenders ZALANDO an: Die Vorfreude

 

2015 folgte dann dann die Kampagne „Are You ready“. In einem weißen, futuristisch anmutenden Ambiente treten verschiedene Models vor die Kamera. Sie verhalten sich, als ob sie vor einem Spiegel stehen: sie betrachten sich von allen Seiten, der Blick in den Spiegel ist teils kritisch, teils selbstverliebt (Wie ging noch die Geschichte von Narziss?) Selbst-Inszenierung und narzisstische Selbstverliebtheit sind zentrale Themen für die Selfie-Generation – und kommunikative Themen für ZALANDO. Und ja, natürlich: die Lust am Experimentieren und Ausprobieren ganz unverbindlich bei ZALANDO.  Stimmt der personal style, darf es bleiben. Wenn nicht, geht‘s zurück.

 

CARA DELEVINGNE – TOP-MODEL MIT SELBSTIRONIE 

Mit Cara Delevingne hat sich ZALANDO ein Top-Testimonial geholt, das die britische Marke TOP-SHOP bei ZALANDO bewirbt. Die exzentrische Britin ist nicht nur das aktuelle Top-Model mit der entsprechenden Fashion-Kompetenz. Cara ist auch eine in jeder Hinsicht eigenwillige, komische und unkonventionelle Selbst-Darstellerin.
Im TV-Spot für ZALANDO ist sie nicht das klassische Klamotten-Model (das ist sie in der Print-Kampagne) sondern ein modernes Role-Model: eine junge Frau, die alles macht, was ihr gerade in den Sinn kommt.

 

Im gleichen Ambiente wie in den vorherigen Spots der Kampagne fungiert auch bei ihr die Kamera als Spiegel: sie posed, zieht Grimassen, ordnet ihr Haar, probiert vor dem imaginären Spiegel allerlei Accessoires aus. 


Dabei plappert sie munter-lässig drauf los und versucht, die Namen deutscher Provinzstädte wie Mönchengladbach auszusprechen, mit ziemlich komischem Ergebnis. Fazit und Botschaft: TOP-Shop. Wherever You are.“  Oder anders formuliert:  ZALANDO bringt High-Fashion auch in die hintersten Winkel. Even to Kakenloken. Entwicklungshilfe in Sachen Mode.

In der Tat gehen bei Bekleidung/Mode fast die Hälfte der Pakete in den ländlichen Raum, die Fashion- Diaspora. In den Metropolen geht Zalando jetzt den umgekehrten Weg und eröffnet eigene Stores in den Innenständten. Und kann sich dabei sicher sein, dass die Retourenquoten hier deutlich geringer sind als im Versand.


 

KURZES FAZIT: ZALANDO UND DIE FREUDE AN DER UNVERBINDLICHKEIT

 

ZALANDO hat sich etabliert als Glück-Bringer. Postbote und Überraschungsschrei suggerieren: hier wird nicht bereits gekaufte Ware abliefert, sondern ein Überraschungsgeschenk. ZALANDO wird zu einer Art Ganzjahres-Weihnachtamann. Für den Empfänger bleibt die Situation unverbindlich, man kann das Geschenk behalten oder es später einfach wieder zurückgeben, es ist ja (noch) nicht gekauft.

 

In der Kampagne Are You ready? inszeniert ZALANDO das für die Zielgruppe wichtige Thema der Selbst-Inszenierung, Posen, Styles und eben das richtige Outfit gehören zur gewünschten Performance zwingend dazu. Experimentieren, Ausprobieren, ‚Liken‘ oder eben Verwerfen sind Teil des Spiels mit Verkleidungen. Was nicht zum gewünschten Selbstbild passt, fliegt raus. Die Botschaft: bei ZALANDO gibt es immer irgendetwas für ein ‚Like‘ für das eigene Ich. Du hast die Auswahl.

 

Ein attraktives Versprechen für die meisten Online-fashion-Shopper. Vor allem aber den unentschiedenen-Shoppern/innen bietet ZALANDO auch kommuikativ die (Kauf-)Unverbindlichkeit, die sie suchen. Heißt in der Realität dann aber auch: die Rücksende-Pakete an ZALANDO sind nur etwas kleiner als die ursprüngliche Warensendung.

Oder zynisch gesagt: Jeder bekommt die Zielgruppe, die er verdient.

 


 

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