BONPRIX – WIE MAN DEN EIGENEN ALLTAG EIN BISSCHEN REICHER MACHT

 

 

In der Kommunikation hat das Online-Portal BONPRIX seit 2012 mehrfach die Position gewechselt.

 

Der Markenname verspricht ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, der Markenclaim It‘s me!“ suggeriert, dass man bei BONPRIX genau die Outfits findet, die zum eigenen Style passen. Genauer gesagt: mit denen man seiner eigenen Persönlichkeit Ausdruck verleihen kann.

 

Die Kampagne 2012/13 arbeitete in den TV-Spots mit der immer gleichen Mechanik:
Zwei Frauen begegnen sich (auf einer
Party, im Büro, am Pool ..) - und stellen entsetzt fest, dass ‚die andere‘ das gleiche Outfit trägt. Ein Albtraum! Beide Frauen zicken sich an oder versuchen, sich gegenseitig zu überbieten.
Ab einem bestimmten Punkt wird aus der Feindschaft Freundschaft. Wahrscheinlich, weil beide Protagonistinnen erkennen, dass sie nicht nur den gleichen Modegeschmack, sondern auch das gleiche
Mindset haben. Happy ending für die Schwestern im Geiste.

 

Keine Frage, die Spots waren wertig und ansprechend gemacht (logisch bei JvM), die unterschwellige Botschaft für viele Online-Käufer wahrscheinlich aber auch abschreckend: BONPRIX  produziert in solchen Massen, dass einem das eigene Outfit an jeder Straßenecke begegnet. Diese Gefahr ist der eigentliche Preis, den man als Käufer/in bei Billig-Portalen oder bei den Massenversorgern im stationären Handel (wie H&M, Orsay etc. ) zahlen muss.

 

2014 erfolgte mit der neuen BONPRIX-Kampagne „Was vorher geschah“ der kommunikative Turnaround.

Der einstieg in den Spot: Jemand erlebt verzweifelt das Resultat einer großen Unachtsamkeit. Danach der Rückblick: Wie ist es zu der Katastrophe gekommen? Die Ursache ist immer die gleiche: Eine Frau lässt sich beim Anblick einer anderen Frau dermaßen von deren Outfit faszinieren, dass sie alles andere vergisst und ihre Arbeit zwar mechanisch, aber praktisch besinnungslos fortsetzt. Das Resultat der mentalen Abwesenheit hat der Zuschauer ja bereits zu Anfang gesehen.

 

Absurde, komische und sicher sehr aufmerksamkeitsstarke und sympathische Stories. Und sicher auch mit einer Botschaft, die man/frau versteht: Ein faszinierendes Outfit! Das will ich haben!

 

BONPRIX inszeniert in dieser Kampagne Verlangen und Begehrlichkeit, die hingebungsvolle Liebe auf den ersten Blick – genau wie die Kampagne der BONPRIX-Mutter OTTO.de. Trotz eigener Erzähl-Mechanik war auch die Grundaussage dieselbe wie bei OTTO.de: Frau ist so fasziniert vom Outfit einer anderen, dass sie alles um sich herum vergisst. Ein Kampagnen-me-too, sicher nicht zur Freude von OTTO.de.

 

 

Mit der Kampagne „Zieh dir ein gutes Gefühl an“ (seit März 2015) vollzieht BONPRIX eine Umpositionierung:
weg von der Ausstattungs- hin zur Ausrüstungs-Marke für den bewegten Alltag. 

 

Die Storyline der TV-Spots: in den Outfits von Zalando fühlt sich die Protagonistin so wohl, dass sie einen anstrengenden Tag - z.B. als Mutter einer kleinen Tochter-   trotz vieler kleiner  Dramen und Überraschungen gut und würdevoll übersteht. Müde und erschöpft, aber immer noch beseelt lächelnd, schläft sie friedlich auf den Kuscheltieren ein. Die offenkundige Botschaft: BONPRIX liefert die passende Ausrüstung, um die Anforderungen des Alltags gut zu überstehen. Die unterschwellige Botschaft: Wer so gefordert wird im Alltag, hat ein Recht drauf, sich so auszustatten, dass er/sie sich trotz aller Arbeit wohlfühlen kann. Legitimation, sich etwas zu gönnen.

 

Das trifft sicher die Bedürfnisse einer Reihe von Konsumenten/innen. Aber es sind die eher pragmatischen, ‚bedarfs-orientierten‘ Bedürfnisse. Damit rückt BONPRIX näher heran an Anbieter wie C&A, Ernstings‘s Family oder den Versender Adler. Kleidung für den Alltag eben.  Begehrlichkeit, Verwandlungs- und Experimentierfreude, attraktive Außenwirkung – alles das, was die emotionale Faszination von Mode ausmacht und sich erheblich auf die Kaufmotivation und -frequenz auswirkt, bleibt so allerdings auf der Strecke.


 

KURZES FAZIT

 

Der Name BONPRIX verspricht eine Aneignung, bei der der Käufer/die Käuferin sich als Siegerin/in fühlen kann. Der Claim ‚It‘s me‘ suggeriert eine schon vollzogene Aneignung: Outfits, die Meins sind, die mich widerspiegeln, die dokumentieren: das bin ich.

 

Die TV-Spots unter dem Motto ‚Was vorher geschah‘ waren gewiss spektakulärer und witziger als die aktuelle Kampagne. Sie sagten aber nicht ‚It‘s me‘, sondern  It‘s she‘  (nämlich die Frau mit dem faszinierenden Outfit).  Begehrlichkeit und Aneignung mit den Augen – aber eben nicht konkret fürs ‚Ich‘.

 

Deutlich näher am Markenclaim ist die aktuelle BONPRIX-Kampagne: im Zentrum stehen mein Alltag, meine Lebenswelt, meine Wünsche. BONPRIX verspricht Outfits und Produkte, die sich in diese bestehende reale Welt einpassen, die man sich problemlos (und für kleines Geld) zu eigen machen kann.

 

 


 

Mehr lesen?
Einfach anklicken.