B R A U C H E N   D I G I T A L   N A T I V E S   K L A R T EX T ? 

Die neue Mentalität der Kommunikation.

 

Das Internet hat unsere Kommunikationsgewohnheiten radikal verändert. Nicht nur formal und inhaltlich, sondern auch im Stil und in der Tonality. Macht sich die digitale Kommunikations-Mentalität nun zunehmend mehr auch in der klassischen Werbung breit ?

 

Werbung mit einfacher call-to-action-Aufforderung hat es schon immer gegeben "Probieren Sie xy ..." ---  "Testen Sie jetzt auch ..." --- "Besuchen Sie uns .... "  usw. sind gängige Floskeln in der direkten Kundenansprache. Nicht gerade besonders kreativ, aber unmissverständlich. Schaut man sich viel TV-Werbung an (was wir berufsbedingt machen), fällt auf, wie sich der Aufforderung-Ton insgesamt verschärft: aus unverbindlichen Aufforderungen werden konkrete Handlungsanweisungen, aus dem Punkt wird ein Ausrufezeichen.

 

 


A U F   D U   U N D   D U    M I T   D E M   K O N S U M E N T E N ? 

Dieser Eindruck einer Ton-Verschärfung mag zum einen an der Duz-Form liegen: "Buchen Sie jetzt!" klingt respektvoller, konzilianter, aber auch distanzierter als "Buche jetzt!". Das im Internet fest etablierte "Du" hat in der klassischen Werbung einen anderen Subton, eine andere Färbung. Abgesehen von Kinderprodukten oder Marken, die sich explizit an ein sehr junges Publikum wenden, ist das Du in der Erwachsenen-Werbung noch lange ncht etabliert.

 

Eine Ausnahme beim Du war schon immer IKEA. Das etwas andere Möbelhaus hat seine schwedische Heritage werblich immer kultiviert, und in Schweden ist das Du ebenso selbstverständlich wie ein Billy-Regal. Zweifellos hat das Du auch einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass uns die Marke IKEA so vertraut, unkompliziert und bodenständig erscheint. Wenn dagegen MERCEDES in Duz-Form zu einer Probefahrt einladen würde, käme einem das aktuell doch zumindest etwas befremdlich vor (der durchschnittliche Mercedes-Kunde ist deutlich jenseits der 50 und tendenziell eher wertekonservativ).

 

Das Du macht call-to-action-Floskeln zwar irgendwie unkomplizierter, zugleich aber auch nachdrücklicher. Das Du überspielt die Distanz zwischen Marke und Kunden, aber es negiert auch ein Stück weit den Respekt gegenüber dem Kunden.  Etwas überspitzt formuliert: der Kunde wird zu einer Art kindlichem Befehlsempfänger, dem die Marke sagt (vorschreibt?), was er tun soll. 

 

Der Trend zum noch ungewohnten Du in der klassischen Kommunikation ist jedenfalls unverkennbar.

 

 

 

CONGSTAR:

"Du willst es.
Du kriegst es."


[Fotos: YouTube-Channels
der angegebenen Marken.]

 

 

MOBILE.DE:

"Weißt du noch, welche Autos du mal haben wolltest?"


 

COCA-COLA:

Infizier dich jetzt mit dem Fan-Fieber …“

 


 

 

D I E   S P R A C H E   D E S   I N T E R N E T S :   C A L L   T O    A C T I O N. 

Das Internet ist nicht nur Kommunikationsplattform oder ein 'channel', es ist ein dialogisches Kommunikationsmedium. Es hat unsere Art, miteinander zu kommunizieren, gründlich verändert. Email, sms, Twitter, facebook & co. prägen den persönlichen Kommunikations-Stil mit unseren "Freunden". Unbestritten gibt es in unserer sozialen Kommunikation eine Verlagerung vom Gesprochenen zum Geschriebenen, vom Verbal-Akustischen zum Verbal-Visuellen, vom (vertrauten) Zweier-Dialog zum Mehrpersonen-Getwitter.

 

Wir kommunizieren aber nicht nur über das Internet (als technologische Plattform). Wir kommunizieren auch mit dem Internet. Und das hat seine eigene Sprache und seine eigene Sprach-Ästhetik.

 

Egal, auf welcher Seite man sich im Internet bewegt: Das Internet stellt uns Fragen und offeriert uns Antwortmöglichkeiten. Das simpelste aller Beispiele: Google. Wo willst du hin? Was willst du wissen? Wir antworten mit unserer Eingabe. Google antwortet mit einer Liste, einer Bildergalerie oder einer Map (auch das können wir vorher bestimmen). Wir antworten wieder mit einer Eingabe usw.  Ein endloses Frage-Antwort-Spiel, eine unendliche Kette von Aktion und Reaktion. 

 

Und nicht nur Suchmaschinen, auch alle anderen Seiten arbeiten in dieser Logik: Die Nutzung des Internets ist ein permanenter, gegenseitiger call-to-action-Dialog. Das Gleiche gilt natürlich für alle netzbasierten Kommunikationsformen, für Echtzeit-Navis ebenso wie für Hunderttausende (Millionen?) von apps. 

 

 


D I G I T A L   N A T I V E S   K Ö N N E N   F A S T   A L L E S .  N A C H    A N W E I S U N G . 

Über die Faszination Internet ist Vieles geschrieben worden.  Aus psychologischer Sicht liegt ein Großteil der Faszination in der ungeheuren Wirk-Macht, die der User bei jeder Nutzung ausübt und verspürt. Mit einfachen fingertips löst er Aktionen aus, in Echtzeit.  Aktionen, die ihn in Echtzeit mit seinen Freunden verbinden. Aktionen, die ihm sagen, wo er ist, wo er was findet, was er machen kann und machen soll. Aktionen, die ihm helfen, sein Leben zu meistern. Eine mobile, stets verfügbare Lebenshilfe. Etwas, was ihm Sicherheit und Orientierung gibt und ihm trotzdem die ganze Welt eröffnet.  Und das alles in einem ständigen call-to-action-Dialog mit dem Netz.

 

Nehmen Sie einer/m  Zwanzigjährigen sein iPhone und sein iPad weg - und Sie haben ein Häufchen Elend vor sich. Weil er/sie damit den Zauberstab verliert, mit dem er/sie die Welt und sein Leben beherrscht. Aber nicht nur bei den Digital Natives, auch für Ältere ist diese Art des wirksamen Kommunizierens längst eine alltägliche Selbstverständlichkeit geworden.

 

Das Internet  produziert eine Art digitale Mentalität, es verändert unsere Lebensgewohnheiten und unsere Erwartungen, und es verändert auch unsere Kommunikations-Mentalität.  

 


 

D U   W I L L S T    E S  ?   D U   K R I E G S T   E S .  

Ist es dann nicht ebenso selbstverständlich, dass sich auch in der klassischen werblichen Kommunikation mehr und mehr Elemente dieser digitalen Kommunikations-Ästhetik finden?

Dass uns Marken konkret "sagen", was wir tun sollen? Dass sie uns nicht nur animieren, auf ein Angebot zu reagieren, sondern uns klar und einfach navigieren? Dass mit einem Klick der Kontakt zur Marke hergestellt wird? Wird klassische Marken-Kommunikation mehr und mehr zum  'Dialog-Marketing'?

 

Vorreiter sind hier natürlich alle Marken, die im Digital Life-Style eine besondere Rolle spielen: Telekommunikations-Anbieter,  Dating-Plattformen, Online-Shops, Online-Touristik usw.  Sie alle duzen uns nicht nur, sondern sagen uns klar, was zu tun ist und versprechen uns dafür im Gegenzug die unmittelbare Verfügbarkeit via Netz. CONGSTAR bringt es auf den Punkt: "Du willst es. Du kriegst es." So einfach ist das digitale Leben.


 

E I N   K U R Z E S   F A Z I T.  

1997 (!) sagte mein damaliger Chef  THOMAS REMPEN in einem Meeting ganz beiläufig einen Satz, den ich nie vergessen habe: "Irgendwann wird die klassische Werbung nur noch ein Teaser für's Internet sein. Denn das wird der Ort sein, wo sich alles abspielt." Damit war er seiner Zeit weit voraus.

 

Heute ist es (fast) soweit. Das Internet ist aber nicht nur der Ort, wo sich kommunikativ Vieles abspielt.

Es ist auch das Medium, das mit seiner spezifischen Kommunikations-Ästhetik eine neue digitale Kommunikations-Mentalität produziert, die die Ästhetik und den Stil klassischer Kommunikation mehr und mehr beeinflusst.

Eine spannende Herausforderung für Strategen und Kreative.