"SAG MAL, FRAU NEUNER ... FÜR WAS WIRBST DU DA EIGENTLICH?"

 

Das Thema Energie ist ein wichtiges Thema. Aber es ist auch ein leidiges Thema. Denn eigentlich erwartet man vom Strom nur eins: er soll problemlos und jederzeit verfügbar sein - ohne dass man auch nur einen Gedanken daran verschwenden muss.

Kommunikation zu diesem Thema hat‘s nicht leicht. Sowohl die Protagonisten der Energiewende als auch die großen Energieversorger stehen vor dem Problem, dass sie über ein Thema und ein Produkt sprechen, über das eine breite Mehrheit noch nicht mal nachdenken geschweige denn begeistert werden möchte.

 


M A X I M A L E  R E L E V A N Z.  A B E R    M I N I M A L   I N T E R E S T ?

 

Bei keinem anderen Produkt ist die Diskrepanz zwischen Awareness und Relevanz so groß wie bei Strom:
wir haben eine fast kindliche ‚Versorgungshaltung‘ gegenüber einem im wahrsten Sinn des Worten
ebenso unbewussten wie lebensnotwendigem Produkt.

Strom ist vergleichbar mit unserem Zentralnervensystem: es sorgt dafür, dass in jedem Augenblick Millionen von lebenswichtigen Funktionen in unserem Körper ausgeführt werden – ohne dass wir sie bewusst steuern müssten.
Wir nehmen es überhaupt nicht wahr – bis es irgendwo mal nicht funktioniert.

 

Beim Strom verhält es sich ähnlich: er hat einfach ganz selbstverständlich da zu sein in unserem voll elektrisierten Alltag.
Und so soll es aus Sicht der ganz großen Mehrheit der Verbraucher auch bleiben: Strom soll da sein – ohne dass man auch nur einen Gedanken an ihn verschwenden müsste.

 

 


N E U E   ‚W E R T S C H Ä T Z U N G‘  F Ü R   E I N   L O W - I N T E R E S T - P R O D U K T?

 

Nur logisch bei der mentalen Nicht-Präsenz: das Produkt Strom hat(te) keine Wertschätzung – weder rational
und schon gar nicht emotional.

‚Greifbar‘ und konkret wurde das Produkt Strom primär in Form der Stromrechnung bzw. als Abbuchungsvermerk
auf dem Kontoauszug. Von vielen mit Verachtung zur Kenntnis genommen oder Anlass für kurze Verärgerung –
weil man nämlich eigentlich gar nicht einsehen will, dass man für eine als selbstverständlich erachtete Versorgung zahlen soll.

 

In Zeiten der politisch propagierten Energiewende ändert sich die Beziehung zum Produkt Strom,: die ebenso
selbstverständliche (und bezahlbare) wie unverzichtbare Versorgung rückt ins Bewusstsein, die mediale Präsenz
des Themas als auch der Anstieg der Kosten sorgen für eine neue ‚awareness‘ des Produkts Strom.

 

Die Kampagnen der großen Energie-Versorger RWE und e.on greifen diese neuen ‚Bedenken‘ der Verbraucher auf.
Heißt es bei RWE „Habt ihr schon mal über Strom nachgedacht?“, macht‘ es e.on mit der Kampagne „Sag mal, e.on …“
noch einfacher: Konsumenten fragen, der (große) Energieversorger antwortet.

 

 


D E R   E.O N - D I A L O G  -  T E I L  1 :  "S A G   M A L ,  E. O N …."



So auch im aktuellen e.on-Spot mit everybody‘s darling-Testimonial Magdalena Neuner.
Anfangs noch im gewohnten Anblick als aktive Sportlerin, nämlich beim Joggen imhimmelblauen Sportdress. Und mit einem Text, der die gewohnten und verbreitetenUmgangsformen mit dem Thema Strom anspricht:
Stromrechnung? 2 Löcher rein – ab in den Ordner – Thema erledigt.“


 

Aber Lena Neuners Leben hat sich verändert: sie hat ihrem Sport den Rücken gekehrt und ist jetzt eine Privatperson. Lena begegnet uns im e.on-Spot als eine ganz normale Konsumentin in ihrer Küche. Und ebenso ihr Leben hat sich auch die Einstellung zum Thema Strom geändert. „So war‘s mal (nämlich 2 Löcher rein - erledigt) … heute gibt‘s zur Energie mehr Fragen.“

 


 

Und als ‚kritische Verbraucherin‘ stellt Lena  dann -  im Stil der Kampagne direkt in die Kamera und direkt an e.on: - eine aus Konsumentensicht naheliegende Frage:

 

„Sag mal e.on … wenn Strom immer grüner wird, kann sich das denn überhaupt noch jeder leisten?“


 

 

R A T I O N A L   G E W O L L T.   U N D  E M O T I O N A L ?

 

Einmal abgesehen davon, dass sich die Immer-noch-Spitzenverdienerin Neuner über ihre eigenen Energiekosten sicher nicht den Kopf zerbrechen muss, greift e.on mit dieser Frage eine latente Befürchtung vieler Verbraucher auf, nämlich dass Strom in Zukunft zu einer Ware, zu einem Konsumgut wird, über dessen Verbrauch man sich bewusst Rechenschaft geben muss.

 

Eine Einstellungs-Veränderung gegenüber dem Thema Strom ist schon lange das Ziel von Umwelt- und Klimaschützern und auch das politische Ziel der Energiewende.Und fast immer ist das Ergebnis sehr eindeutig, wenn in Umfragen/Befragungen nach der Zustimmung zu erneuerbaren Energien gefragt wird: je nach Fragestellung befürworten zwischen 75 und 90% die Energiewende. Diese hohe Zustimmungsrate ist nicht verwunderlich, spricht doch rational alles für einen Ausbau der erneuerbaren Energien.

 

Aber eine Einstellungs- oder gar Verhaltensänderung in puncto Energie ist definitiv kein Herzensanliegen der großen Mehrheit der Verbraucher.

 

Denn die Problematisierung und Verkomplizierung einer für selbstverständlich erachteten funktionierenden Versorgung führt - aller rationalen Einsicht zum Trotz – bei sehr vielen Verbrauchern zu einer emotional latent negativen Einstellung gegenüber der gesamten Thematik Zukunfts.Energien. Denn eigentlich will man sich als normaler Verbraucher mit dieser Materie gar nicht intensiver beschäftigen, weder in Form von erhöhten Kosten noch in Bezug auf das eigene Verhalten.

Und darin liegt das größte Dilemma bei der Kommunikation im Kontext der Energiewende.

 


 

D E R  E. O N - D I A L O G - T E I L  2 :  "H A L L O ,   F R A U   N E U N E R  …"

 


„Hallo, Frau Neuner, daran arbeiten wir.“

 

Das verspricht e.on im zweiten Teil des Spots verbal und visuell, ganz im Sinne einer beruhigenden Instanz, die die Befürchtungen der Verbraucher entkräftet. Verstärkt wird die beruhigende Kraft des Dialog-Inserts durch eine kontemplative Krombacher-Landschaft mit See und Wald im Hintergrund.

 


 

Und als Beweis und Beleg für „daran arbeiten wir“ wird das e.on-Engagement bei der on-shore Windkraft gezeigt und erläutert.

 

Sinnvoller Weise wird die ‚Arbeit‘ bebildert mit tatkräftigem blue-collar-Personal, das – wie jede Mafo schnell bestätigt – im Vergleich zu ‚Schreibtischtätern‘ als besonders sympathisch, authentisch und glaubwürdig wahrgenommen wird.

 


 

D A S  R E S Ü M M E E   Z U M  D I A L O G :

D E R   V E R S O R G E R   W I R D ‘ S   S C H O N   R I C H T E N.

 

Mit der Kampagne – und insbesondere mit dem Neuner-Spot - positioniert sich e.on auch für die Zukunft als das, was e.on schon immer war: ein Energie-Versorgungs-Unternehmen.Die offenkundige Botschaft:
e.on arbeitet daran, Energieversorgung auch in Zukunft für alle sicherzustellen und bezahlbar zu halten.

 

Psychologisch und emotional positioniert sich e.on mit der Kampagne aber auch als eine Art Ent-Sorgungs-Unternehmen, nämlich als ein Anbieter, der die Verbraucher von seinen Sorgen im Kontext der Energiewende entlastet. Denn der Spot suggeriert: wir kümmern uns darum, damit du dir auch in Zukunft trotz Energiewende keine Gedanken um bezahlbaren Strom machen musst.

Wir machen das schon. Business as usual.

Die große Konsumentengruppe der „Delegierer“ wird es mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen.

 

 


 

K U R Z E S  F A Z I T 

 

Während NGOs und Politik mit rationalen Aufklärungs-Kampagnen fast verzweifelt für einen ‚bewussteren Umgang' mit Energie werben, suggerieren die großen Energieversorger RWE und e.on in ihren Kampagnen: wir kümmern uns, damit du so weitermachen kannst wie bisher. Und damit treffen sie genau das, was sich die breite Masse der Bevölkerung insgeheim erhofft: die Energieversorger sollen die Energiewende stemmen, für den Verbraucher bleibt eigentlich alles beim Alten.

 

Oder um es mit Lena Neuner zu sagen: "Zwei Löcher rein – ab in den Ordner – Thema erledigt."